Bericht Herbstausflug 2015

Schnupperreise nach Belgien in drei Tagen

 

Der Kreisverband der Banater Schwaben Heilbronn hatte wieder mal eine Herbstreise geplant und zwar nach Belgien. Die Kunde hatte sich selbst im Schwarzwald verbreitet und so wurde auch unser Interesse geweckt, worauf wir uns kurzerhand dieser Reisegesellschaft – an der rund 90 Personen teilnahmen – angeschlossen haben.

Am 02.10.2015 war es dann soweit und früh am Morgen um 6:30 ging die Reise in Nordheim mit zwei Bussen los.

Nach Sonnenaufgang erwartete uns ein herrlicher Tag, mit blauem Himmel und angenehmen Temperaturen („wenn Engel reisen…“). Mit wenigen Unterbrechungen – einer Frühstückspause am Rastplatz Mosel-Ost (Kaffee vom Busfahrer, Brötchen von daheim) und einer Mittagspause am Rastplatz Aachener Land (Würstchen mit Brot vom Busfahrer) – ging die Reise flott voran und wir erreichten um ca. 15:00 Uhr Brüssel.

Die Stadt Brüssel ist die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Belgien. Sie bildet das Zentrum der Region Brüssel-Hauptstadt und hat etwa 170.000 Einwohner. Hier stieg unser Reiseleiter Günter zu und erklärte bereits bei einer Stadtrundfahrt bauliche Besonderheiten wie z.B. die Existenz einer Fassadensteuer, die zu sehr feingliedrigen Straßenzeilen – mit Häuserbreiten von 5,5m – führte. Ein nicht existenter Bebauungsplan wiederum hatte sehr unterschiedliche Traufhöhen zur Folge. Das Stadtbild im Zentrum wird überwiegend von flämischen Bürgerhäusern geprägt. Rund 500 Gebäude und Fassaden im Jugendstil, die vorwiegend in der Zeit des ausgehenden 19. Jh. entstanden, säumen Plätze und Straßen der Hauptstadt und veranschaulichen, jedes auf seine Art, die architektonischen Talente der Meister dieses Stils.  Einer der bedeutends­ten Vertreter die­ser Stilrichtung ist Victor Horta, dessen Bauten zwischenzeitlich zum Weltkulturerbe zählen. Unterbrochen werden die Häuserzeilen durch monumentale Paläste, Plätze und Parkanlagen, die in krassem Gegensatz zu der Kleinteiligkeit der Wohnhäuser stehen.

Im Eiltempo ging es durch die Stadt, vorbei am islamischen Zentrum (größte Ausländergruppe in Belgien sind Marokkaner), am königlichen Palast und am Schuman-Kreisel mit Blick auf den Triumph­bogen im Jubelpark. Hier befindet sich auch das eigentliche Zentrum des Europaviertels mit EU-Kommission, EU-Parlament und Ministerrat, in dem die Geschicke Europas in 24 Spra­chen ge­lenkt werden, sodass eigens für die Übersetzer ein Glaspalast gebaut wurde.  In der Nähe der Kathedrale St. Michael und St. Gundula machten wir Halt und es ging zu Fuß durch die Unter­stadt weiter. Das neue Ratsgebäude mit seiner aus recycelten Fensterrahmen bestehenden Fassade soll Europas Wahrzeichen werden. Wir schlossen uns Scharen von Touristen an, die alle ein Ziel hatten: den Grand-Place. Nach Überwin­dung der kurzen Wegstrecke öffnete sich plötzlich der Blick auf den monu­mentalen, prunkvollen Platz mit atemberaubender Schönheit. Hier reihen sich imposante Gebäude an­einander, die sich in Bau­weise, feingliedriger Ornamentik und reichhaltiger künstle­rischer Gestaltung überbieten. Der Platz im Herzen der belgischen Hauptstadt gehört zum UNESCO-Kulturerbe. Das gotische Rathaus aus dem 15. Jh. und barocke Fassaden liefern den Rahmen dieser Kulisse. Viele der Prachtbauten wurden nach der Zerstörung durch Napoleon im 18. Jh. neu erstellt. Auf dem Weg zurück zum Bus machten wir bei den königlichen Galerien Halt. Die majestäti­schen 200 Meter langen, denkmalgeschützten Sankt-Hubertus-Galerien wurden 1847 im Stile der florentinischen Renaissance erbaut und bergen unter ihrem prachtvollen Glasdach eine besondere Mischung aus Kultur und Luxusboutiquen. Hier gründete der ehemalige Apotheker Neuhaus 1857 seine erste Choco­laterie, die Grundlage der Tradition belgischer Schokolade ist. Neuhaus ist zudem der Erfin­der der Praline im Jahre 1912. Einen kleinen Einblick in die Tradition der Schokoladenverarbeitung erhielten wir beim nach­folgenden Besuch der Chocolaterie Zaabär. Nach diesen vielen Eindrücken ging es durch enge Straßen und Baustellenbereiche, in denen unser Bus­fahrer Hans sein ganzes Können unter Beweis stellen konnte, zum Einchecken ins Hotel mit anschließendem Abendessen.

Wie bereits in der Reisebeschreibung „angedroht“, machten sich die drei Musikanten Johann Sterb­ling (Hasi), Helmuth Paul und Walter Berberich daran, die von den Strapazen des Tages müden Ge­müter wieder aufzuheitern. Unerwartete Unterstützung bekamen sie dabei von Hans, unserem Busfahrer (ge­bür­tiger Siebenbürger Sachse), der spontan die Rolle des Schlagzeugers übernahm: auf dem Akkordeonkoffer und mit allen verfügbaren Utensilien schlug er den Takt. Zum Anlass von Hannis Geburtstag wurde gratuliert und ein Ständchen gesungen. Es blieb jedoch nicht nur bei dem einen. Im Nebenraum feier­ten Brüsseler den Geburtstag eines kleinen Jungen. Als wir davon erfuhren, haben wir auch ihm ein Ständchen dargeboten, was dazu führte, dass Teile der Geburtstagsgesellschaft – und die Kellner sowieso – sich spontan unserer Polonaise anschlossen. Zudem hatte dies zur Folge, dass wir in den Genuss der Geburts­tagstorte kamen. Doch auch damit nicht genug: Etwas später kam noch eine Gruppe von Vietnamesen zum Abend­essen, die unsere Ausgelassenheit zuerst argwöhnisch beäugten, dann mit Kamera und Tablet dokumen­tierten und schließlich zum Teil ihre asiatische Zurückhaltung aufgaben und mitgerissen wurden. Die Feier ging bis weit nach Mitternacht, sodass der „Tag der deutschen Einheit“ plötzlich eine „globale Note“ bekam.

Tag zwei der Reise begann mit der Fortsetzung der Stadtrundfahrt von Brüssel. Vorbei am Schloss Laeken mit seiner riesigen Parkanlage und den königlichen Gewächshäusern erreichten wir das Wahrzeichen Brüssels: das Atomium, welches zur Weltausstellung 1958 erbaut wurde. Das Bau­werk – anfangs mit einer Aluminiumhaut überzogen, die bei der Renovierung 2004 – 2006 durch eine Edelstahlhaut ersetzt wurde – stellt mit Hilfe von neun Atomen die Elemen­tarzelle einer Eisen-Kristallstruktur in 165-milliardenfacher Vergrößerung dar. Es ist 102 m hoch und besteht aus neun Kugeln von jeweils 18 m Durchmesser, von denen sechs begehbar sind. Die Kugeln verbinden 23 m lange Röhren. Durch einige von ihnen führen Rolltreppen; im mittleren Rohr der Konstruktion befindet sich ein Aufzug, der die Besucher in 23 Sekunden zur obersten Kugel bringt.

Hier – mit dem Atomium im Hintergrund  – entstand auch das Gruppenfoto der Reisegruppe.

Auf dem Weg zur Küstenautobahn fuhren wir an Zeugen der beiden Weltausstellungen 1910 – französischer Pavillon Indochina – und 1935 – die noch heute verwendeten Messehallen – vorbei Richtung Brügge, dem Hauptziel an diesem Reisetag. Zur Mittagspause machten wir an einem schön gelegenen Parkplatz im Grünen Halt.

Kurz danach erreichten wir Brügge. Hier befand sich bereits im 2. und 3. Jh. eine gallo-römische Siedlung. Zum Schutz der Küste vor Angriffen der Wikinger entstand Mitte des 9. Jh.s  eine Festung am noch heute „Burg“ genannten Platz. Brügge erhielt bereits 1128 das Stadtrecht.

Mit unserer Reiseführerin Gudrun ging es im  Eiltempo – über Brücken, verwinkelte Gässchen, vorbei am Minnewasser mit dem idyllisch gelegenen Schleusenhaus aus dem 16. Jh. – Richtung Bootsanlegestelle, wo um 14:00 Uhr eine Grachtenfahrt verabredet war. Auf dem Weg dahin machten wir beim Beginenhof aus dem 13. Jh., dem St. Jansspital mit 800-jähriger Geschichte sowie bei der Liebfrauenkirche Halt.

An der Anlegestelle angelangt, gab es eine ca. halbstündige Grachtenrundfahrt auf der wir die Stadt aus einer neuen Perspektive erleben konnten. Leider waren die Ausführungen des Boots­führers in den hinteren Reihen nicht zu verstehen.

Zurück am Anlegesteg nahm uns Gudrun wieder in Empfang und führte uns über den Gerber- und Burgplatz zum Marktplatz.

Der Gerberplatz kann sich aufgrund seiner Größe zwar nicht mit den gleich um die Ecke liegen­den Markt- und Burgplatz messen, die Anwesenheit von Künstlern war jedoch eine angenehme Bereicherung des gemütlichen, von Restaurants umgebenen Platzes.

Der Burg-Platz ist berühmt für die wundervolle Stadthalle aus dem Jahre 1376 mit ihren präch­tigen gotischen Fenstern. Auffallend am Platz sind die verschiedenen Architekturstile. So steht neben der gotischen Stadthalle die alte Zivilregistratur im Stil der Renaissance, an anderer Stelle der alte Gerichtshof in neo-klassizistischen Gewand und wieder etwas weiter das alte Ba­rock-Dekanat aus dem Jahre 1662. Auch die Heilig-Blut-Basilika, die eine der bedeutendsten Reli­quien Europas beherbergen soll, befindet sich auf diesem Platz.

Schon an der zentralen Lage des Platzes erkennt man, dass der Marktplatz (Grote Markt) das mittelalterliche (kommerzielle) Herz von Brügge gewesen sein muss. Dominiert wird er vom 83 m hohen Glockenturm aus dem 13. Jh. mit seinem Glockenspiel aus 47 Glocken und der im­po­santen Tuchhalle. An der nördlichen Seite des Platzes steht das Landgericht. Herrliche mittel­alterlich anmu­tende Häuser stehen am südlichen Ende des Marktplatzes. Diese stammen in dieser Form nicht alle aus dem Mit­telalter, sondern wurden eher im Stil dieser Zeit restau­riert.

Nachdem uns die Informationsflut etwas mitgenommen hatte, gab es zur Belohnung ca. zwei Stun­den zur freien Verfügung. Dabei entdeckten wir dann auch ruhige Innenhöfe – grüne Oasen.

Vom verabredeten Treffpunkt am Marktplatz machten wir uns gemeinsam auf den Weg zu den Bussen. Hier mussten wir feststellen, dass eine Person unserer Gruppe wohl unterwegs abhand­en gekommen war. Dank moderner Kommunikationsmöglichkeiten konnten wir sie wieder mit der Gruppe vereinen und guten Mutes die Fahrt zu unserem Hotel an­treten.

Mit etwas Verspätung gab es das Abendessen, was jedoch der Stimmung keinen Abbruch tat. Auch diesmal ging es mit Musik,  Schwung und gu­ter Laune weiter. Nach Mitternacht wurde Toni M., ein weiteres Geburtstagskind mit einem Ständ­chen geehrt. Doch damit war noch längst nicht Schluss,  die Stimmung kochte weiter hoch und es folgten Polonaise auf Sirtaki und Free­style auf Polka. Dieser Stimmung konnten sich die Kell­ner auch an diesem Abend nicht ent­ziehen und spendierten jedem noch „standhaften“ Gast als Betthupferl einen Limoncello. Bei einigen verfehlte das Betthupferl jedoch seine Wirkung, sodass die Party auf Richards Zimmer lustig weiterging.

Am Sonntagmorgen wurde nach dem Frühstück die Rückreise angetreten. Wir hatten noch ein Reiseziel im Programm: die Grotte von Han in den Ardennen. Eine hundertjährige Straßenbahn brachte uns vom Ort Han-sur-Lesse bis zum Grotteneingang. Die Höhle  ist einzigartig durch die Schönheit der Tropfsteingebilde und die immensen Säle, die durch den Fluss Lesse geformt wur­den, der durch einen Teil der Grotte fließt. Während der Führung konnten wir die schlanken Säulen, die filigranen, fast durchsichtig wirkenden „Draperien“, die riesigen Säle, die Spiege­lungen und nicht zuletzt das erfreu­lich unkitschig dargebotene Klang- und Lichtspiel im Waffensaal bewundern.

Vom Ausgang der Grotte waren es nur einige hundert Meter bis zum Bus. Nach einer Stärkung mit Kaffee ging es zügig weiter. Über Luxembourg erreichten wir das Saarland, wo uns in Mettlach das Mittagessen in der Abtei-Bräu erwartete. So gestärkt fuhren wir bis zu unserem letzten Stopp, wo Anna Frombach sich  im Namen aller Teilnehmer bei Toni Michels für sein Engagement und die reibungslose Abwicklung der Reise bedankte. Mit zustimmendem Applaus schloss sich die Gruppe diesem Dank an.

Die letzte Etappe bis nach Heilbronn wurde durch gemeinsamen Gesang überbrückt, sodass wir überraschend schnell unser Endziel erreichten.

Was bleibt von dieser Reise? Zum einen waren die Eindrücke aus den besuchten Orten sehr nachhaltig, sodass der Gedanke nahe liegt, Belgien nochmal – mit etwas mehr Muße – zu erkunden. Als Neu­linge in der Gruppe haben wir die gute Organisation, die stimmungsvollen Abende und das harmonische Miteinander sehr angenehm empfunden. Grund genug, um weiteren Wander- und Reiseplänen des KV HN voller Erwartung entgegenzusehen.

Erna Retzler und Walter Berberich