Zeitzeugin: KATHARINA FRANK Kapitel 4.7.: Nächtliche Heimkehr und Versteckaktion

Endlich geschafft, endlich zuhause! Katharina Frank beschreibt in diesem Kapitel, wie sie nach all der langen Zeit wieder nach Kowatschi zurück zu ihrer Familie heimkehrt. Die Freude war natürlich groß, als es eines Nachts an der Türe klopfte. Auch ihr Ehemann ist aus der Gefangenschaft zurück gekehrt, aber da er selbst als Soldat in der Wehrmacht war, sollten ihm noch weitere Sanktionen bevorstehen. Für das zivile Volk, das verschleppt wurde, war die Zwangsarbeit jedoch beendet. Man stand aber nun bettelarm vor Zerstörung und Ruin, es musste alles von Neuem wieder aufgebaut werden.

Die Gendarmerie kam des öfteren in die Dörfer, um ehemalige deutsche Soldaten zu suchen und diese auch in Rumänien eine Strafe abarbeiten zu lassen. Katharina Frank und ihr Ehemann haben Verstecke präpariert und vorbereitet, oft ging es wenn auch nur um Haaresbreite gut. Aber schließlich wurden die Gesuchten doch gefunden und sollten zur Zwangsarbeit in ein Hochofenwerk. Soweit kam es glücklicherweise dann doch nicht und mit der Zeit beruhigte sich die Lage zumindest etwas. Dies ist das letzte Kapitel im Abschnitt „Verschleppung“. In den Interviews zum nächsten Abschnitt „Nachkriegszeit“ berichtet Katharina Frank von den Schwierigkeiten in den folgenden Jahren. Die Banater und überhaupt die Deutschen waren lange nicht aus der Schuld, zusätzlich veränderte sich das komplette politische System in Rumänien. Der Eiserne Vorhang wuchs heran und der Kommunismus zog ein. Die russischen Truppen und Panzer sollten noch bis zum Berliner Mauerfall 1989 ständige Begleiter bleiben.

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Kapitel 4.7. – [ NACH DER HEIMAT ? ]
? Heimkehr und nächtliche Versteckaktion ?

Auf einmal ist der Zug gekommen. Dann hat er uns was mitgegeben bis Arad. In Arad mussten wir aussteigen und zu der Polizei. Das war ein Gefängnis, und dort mussten wir uns melden. Dort bekommen wir dann ein Voketruma. Also eine Karte, damit jeder in sein Heimatdorf kann. Dort sind wir dann ausgestiegen. Und weißt du, wie dass dann alles praktisch gegangen ist? Wir haben nicht rein gemusst. Da war ein Gang und da saß einer, der hat da geschrieben. Ein jeder hat das dann bekommen. Und so wie der Zug dann gekommen ist, auf Temeswar, Timisioara, da sind die Leute dann eingestiegen. Da sind wir dann auch eingestiegen. Und es war dann nachts um halb zwei war ich daheim. Da hab ich dann geklopft.

(Familie): Wer ist draußen?      

Dann hab ich gesagt:

(Junge Kathi): Die Kathi!

Und gleich war Licht und alles war gleich im höchsten Grad! Die anderen, da war Eine, die musste weiter fahren. Nach Uri, dort auf die Höhe. Die hat weiter fahren müssen, die war dann eben später daheim. Das Ganze war dann rum. Wir waren dann daheim gewesen, aber wir waren bettelarm. Wir haben nichts gehabt. Wir mussten von vorne neu anfangen. Mein Mann ist auch aus der Gefangenschaft gekommen. Er war in der englischen Gefangenschaft. Und die, die bei den Deutschen, bei der Wehrmacht waren, die sind verfolgt worden. Da sind die immer gekommen in der Nacht, die Gendarmerie und haben die aus den Betten geholt. Die Männer haben sich ja versteckt. Mein Mann hat sich auch immer versteckt. Es war ja, also die Tante kann sich da gut dran erinnern. Einmal hat er sich was ausgedacht, dass wenn die kommen, da war so eine Seitentür in der Kammer, in der wir geschlafen haben. Das konnte man aufmachen, so war das in Kowatschi in Mode. Bei diesem Schränkchen, da ist eine Lade, die hatte er dann offen gelassen. Er hat dann gesagt:

(Ehemann): Ich gehe in den Kamin und steig dann oben drauf, wo man das Fleisch hin hängt und den Schinken und alles.

Also gut. Der Nachtwächter der war wütend auf die Männer, die bei der Wehrmacht waren. Die haben ja bei der Bahn gearbeitet. Der hat Ihnen dann nicht gesagt, dass die Miliz kommt, um sie zu holen, damit sie im Hochofen arbeiten. Auf einmal klopft es am Kammerfenster. Da hab ich gefragt:

(Junge Kathi): Wer ist draußen?

(Polizist): Die Polizei!

(Junge Kathi): Ja?

(Polizist): Ist der Sepp daheim?

(Junge Kathi): Nein.

(Polizist): Na wo ist er?

(Junge Kathi): In Jahrmarkt. Also, jetzt ziehe ich mich zuerst an, und dann mach ich erst auf.

Ich hab das schon etwas langsamer gemacht, dass er dann im Nebenzimmer raus und hoch und in den Kamin konnte. Die zwei Töchter sind in dem einen Bett gelegen und wir in dem anderen. Jetzt hab ich aufgeschlossen und dann ist die Polizei rein gekommen, die Gendarmerie. Dann hat er gegrüßt und gesagt:

(Polizist): Na, Seppi, unde eşti? (rumänisch: Seppi wo bist du?)

Dann hab ich gesagt:

(Junge Kathi): Beim Schwiegervater in Jahrmarkt.

Dann ist er ans Bett gegangen und hat drauf gegriffen.

(Polizist): Das stimmt nicht! Das Bett ist warm auf zwei Plätzen! Hier war einer gelegen!

Und ich hatte seine englische Montur vergessen. Weißt du? Seine Montur, die er in der Gefangenschaft hatte, die hatte er ja dürfen anziehen. Die war da auch gestanden. Da sagt er:

(Polizist): Was ist das hier?

Dann hat er auch gesehen, dass das Türchen so weit aufstand. Dann hat er aufgemacht.

(Polizist): Seppi, unde eşti?

Ich bin ihm aber nachgegangen. Dann ist er rein, er hat die Taschenlampe gehabt. Er ist die Treppe hoch auf den Boden. Dann hat er geleuchtet, hinten raus und vorne raus. Ich bin aber vorne stehen geblieben. Und als er am Kamin war, weil mein Mann hat doch das Türchen weg gemacht. Dann hat er dort rein geleuchtet und gesagt:

(Polizist): Seppi, unde eşti?

Aber nicht oben hin. Dann hätte er ihn ja gehabt. Mensch, hab ich mir gedacht! Jetzt ist er am Kamin. Jetzt kriegt er ihn! Er war nicht da, jetzt ist er runter. Dann haben die Gendarmen geschimpft bekommen. Einer hatte an dem Straßentürchen Posten bezogen, einer an dem Gartentürchen. Als er dann runter gekommen ist, dann hat er gesagt:

(Polizist): Er muss raus sein! Er war daheim!

Was meinst du, als das Ganze vorüber war. Ich bin da hoch und hab dann gemeint:

(Junge Kathi): Jetzt kannst du kommen!

Die Tante kann sich so gut erinnern, weil er so schwarz war. Dann haben wir den Kessel angemacht und das Wasser, dann hat er sich gebadet. Und dann einmal sind sie nochmal gekommen, dann haben sie alle erwischt. Dann haben sie alle nach Hunjatora geführt in den Hochofen, um zu arbeiten. Während dann der Zug gefahren ist, ist einer nach dem anderen aber wieder abgestiegen und ist durch gegangen. Da war so ein Junger aus Kowatschi, der hat gesagt:

(Rauscher Franz): Vetter Sepp, gell ihr lasst mich nicht im Stich? Ihr holt mich doch mit?

(Kathis Ehemann): Naja! Ich hol dich schon mit! Wenn der Zug jetzt stehen bleibt, dann steigen wir ab.

Dann sind sie abgestiegen. Die haben Glück gehabt. Aber mein Mann ist zuerst auf Jahrmarkt zu seinen Schwiegerleuten. Der Junge ist Heim gekommen nach Kowatschi. Auf einmal hat es in der Nacht geklopft bei uns. Am Kammerfinster. Dann hab ich gefragt:

(Junge Kathi): Na, wer ist draußen?

Dann hat er gesagt:

(Rauscher Franz): Ich, der Rauscher Franzi. Kathi, hab keine Angst. Der Vetter Sepp ist in Jahrmarkt. Und ich geh jetzt heim zu meiner Mutter. Der Sepp hat mich mitgenommen, der kommt morgen früh.

Und somit hat dann das Ganze ein Ende gehabt.


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>>> Kapitel 5.1. Die Kollektiv als Rettung und Untergang >>>


Zum Anfang und zur Übersicht geht es hier:

PART V – NACHKRIEGSZEIT

PART IV – NACH DER HEIMAT

PART III – VERSCHLEPPUNG

PART II – KINDHEIT

PART I – INTRO