Zeitzeugin: KATHARINA FRANK Kapitel 2.6.: Der Friedhof früher und die Zeitung

 

Viele Banater, die mittlerweile schon lange wieder in Deutschland sind, betreuen immer noch über die Ferne die Gräber ihrer verstorbenen Verwandten oder lassen diese von Personen vor Ort pflegen. Es hat sich ein Markt gebildet, von einem Land hinweg zum anderen. Minijobs zum Saubermachen und zur Instandhaltung auf dem Friedhof. Grabpflege per Fernauftrag. Früher hat sich die Gemeinde und das Dorf natürlich um alles selbst gekümmert. Aber irgendwann waren fast alle Banater nach Deutschland übergesiedelt, jedoch die Verstorbenen noch unter der Erde im Banat. Meine Urgroßmutter erzählt weiterhin schön und auflschlussreich, dieses Mal vom Friedhof und von der Presse.

„Klein Kathi“ ist meine Urgroßmutter im Kindesalter. Bei den Aufnahmen war sie 91 Jahre alt. Sie erzählt von sehr weit zurück liegenden Erinnerungen und diese Klein Kathi – also sie selbst – ist in den vorliegenden Geschichten zwischen 6 und 10 Jahre alt. Fast 90 Jahre später konnte sie sich immer noch an vieles erinnern. Manches weil es einschlägig prägende Situationen waren, anderes wirkte soweit traumatisierend, wurde verdrängt und erst im späteren Alter verarbeitet. Meine Urgroßmutter strahlte beim Erzählen immer eine gewisse Weisheit aus. Trotz allen Traumata, trotz Krieg, Cholera, Typhus, zig weiteren Krankheiten und unzähligen Neuanfängen…. trotz alldem hat sie jedes Mal weiter gemacht, hat nicht aufgegeben und ist auch nicht dabei umgekippt. Ich hab einen rießigen Respekt vor dieser Energie, diesem Willen und dieser Strebsamkeit, nicht aufzugeben. Nun ruht sie selbst auf dem Friedhof. Aber 95 Jahre ist einfach auch ein stolzes Alter.

 

 


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Kapitel 2.6. – [ KINDHEIT ? ]
⚰️  Der Friedhof früher und die Zeitung  ?

 

(Katharina): So ein schöner Friedhof! War ja auch mit so schönen Kreuzen. Alles, das war auch wunderbar schön! Die Begräbnisse, die waren fast alle mit Musik. Meine Mutter ist gestorben vor Josefi. Und der Josefi-Tag, der ist der Jahrmarkter ihr Kirchenschutzpatron. Damals ist die Kirche eingeweiht worden. Das ist ein Feiertag. Und am Josefi-Tag ist sie beerdigt worden. Weißt du, ich glaube, das halbe Dorf ist zum Begräbnis gekommen. Die haben nicht in den Hof gekonnt, die Straße war ganz zu. Die Leute waren schon oben auf der Straße gestanden. Aber die Musik hatte auch sein müssen. Das war schon so wie ausgemacht. Aber doch, weißt du, man ist zusammen gekommen. Man hat gefeiert! Im Winter, die älteren Leute, die haben einen Spinnstubenball gemacht. Abends ein Essen und dann getanzt. Und dann die jungen, die sind ins Wirtshaus und zu der Musik. Dort in den großen Saal, da waren dann immer Festlichkeiten und alles. War schon schön, gell. Aber sowas, was da jetzt alles ist. Aber es war kein Radio, kein Fernsehen. Nichts hast du gewusst. Bloß jeden Tag also von der Gemeinde, da ist die Zeitung hingekommen, die Extrapost. Also dann ist ein Mann herum gelaufen. Und meine Großmutter hat doch so gerne gelesen. Ich meine einen Lei. Also sie hat mir immer, wenn der geschrieben hat schon auf der Straße:

            (Zeitungs-Austräger): Die Extrapost, die Extrapost!

Dann hab sie mir gleich einen Lei gegeben. Das war das Geld, so hat das Geld geheißen.

                        (Mutter von der Klein Kathi): Geh raus und hol die Extrapost!

Dann hab ich sie gekauft. Sie hat sie gelesen und ich hab sie auch gelesen. Weißt du, da war schon mal auch so, aber nicht so viel. Und dann auf einmal sind in Billed, die Gemeinde war so 60 Kilometer von uns, von Jahrmarkt. Da sind dann in der Nacht ein Mann und eine Frau umgebracht worden, die Räuber sind dort eingebrochen. Das waren reiche Leute und die haben die umgebracht. Dann war das in der Zeitung. Wie die dann in der Zeitung waren, dann hat er immer geschrien:

                (fiktiver Reporter): Jetzt, jetzt haben sie die Billeder Räuber gefangen!

Und die Leute sind dann raus und haben sich die Zeitung gekauft. Dann ist die Pollerpeitsch aufgekommen. Die Pollerpeitsch war eine Dummheit. Da ist Dummheit drin gemacht worden und alles. Das war auch schön, aber das hat meine Großmutter nicht gelesen. Dann sind Romane, dann hat der Mann auch immer Romane gebracht. Der Mann im Moor einmal. Dann sagt meine Großmutter:

(Großmutter von Klein Kathi): Jetzt gehst du raus und sagst, wie viel, also dass wir ein jedes Mal das Heft holen.

Also sie holt es jeden Tag. Solange wie der Roman geht, holt sie das Heft jeden Tag. Ich hab´s auch gelesen. Jetzt war das im Frühjahr, da war der Roman gewesen. Der Mann im Moor. Derselbe, den ich gelesen hab, als ich zur Schule gegangen bin mit acht oder neun Jahren, also zehn Jahre alt war ich. Dann hab ich gedacht, schau mal an hier. Wie das sich alles doch macht.

 


 

<<< Kapitel 2.5. Brennerei und Weisheiten von der Oma der Oma <<<

>>> Kapitel 2.7. Weihnachten damals >>>

 


 

Zum Anfang und zur Übersicht geht es hier:

PART IV – NACH DER HEIMAT

PART III – VERSCHLEPPUNG

PART II – KINDHEIT

PART I – INTRO