Während eines Interview-Besuchs fragte ich meine Urgroßmutter, wie denn Weihnachten damals im Banat so war. Das ganze Jahr wurde auf dem Bauernhof und auf den Feldern gearbeitet, viel Freizeit gab es das komplette Jahr über nicht. Doch an Weihnachten gönnte man sich eine kleine Pause. „Da wurde gefeiert! Da wurde gekocht, gebacken, vorbereitet und hergerichtet!“ so meine Uroma sogleich. Um an den Festtagen natürlich gemeinsam zu speisen und eine friedliche Zeit mit den Angehörigen verbringen zu können. Da durfte es dann an nichts fehlen! Man merkt beim Zuhören, dass ihr diese Erinnerungen als etwas sehr Angenehmes erhalten sind und auch das Reden darüber als wohltuend empfunden wird. Es war für die gesamte Gemeinde eine Zeit der Ruhe, der Besinnlichkeit und der Geborgenheit in der Familie, vor allem für die Kinder. Das hat sie bis ins hohe Alter nicht vergessen.
Ich war ohnehin durchgehend beeindruckt, wie detailgenau sich meine Urgroßmutter Situationen und Abläufe noch mit 91 Jahren merken konnte, die zur Zeit der Aufnahmen über 80 Jahre zurück lagen. Doch während dieser Erzählung packte sie auf einmal vollständige Sprechtexte und ganze Passagen der Sternsingergruppen aus ihrer Kindheit aus. Sie konnte immer noch die Strophen und Gedichtverse, die einzelnen Rollen und Handlungen auswendig. Einfach bemerkenswert!
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Kapitel 2.7. – [ KINDHEIT ? ]
? Weihnachten damals ?
(Interviewer): Wie war das denn damals in Rumänien an Weihnachten?
(Katharina): Ja wie wir? Bei uns an Weihnachten? Ja, wir haben schon schön gefeiert. Weißt du, das war so, du hast da auch Kuchen und alles gebackt und gekocht und gebraten und gemacht. Und den Teig, wie sagt man, die Patin und der Pate, die haben dann Kohl gebracht. Das ist so hin und her gegangen. Und dann waren, also in unserer Nachbarschaft zur Runden Gasse, da war eine Frau, die hat etwas zusammengestellt.
(Kinder): Das Christkindchen!
Haben wir immer gesagt. Da waren vier Engel. Der Josef, die Maria, der Wirt und das Christkindchen. Dann der Ochs und der Esel und zwei Hirten. So war man angezogen und so ist man von Haus zu Haus und hat dort geklingelt. Manche haben einen rein gelassen, dann hat man ja Geld bekommen. Und dann waren die Engel, das waren Mädchen, die standen um den Tisch und haben ihren Spruch gesagt, der gesagt werden musste. Die Erste hat gesagt:
(Erster Engel): Gelobt sei Jesus Christus, gesegnet kleines Jesulein. Gelobt sei Jesus Christus, die Kinder beten groß und klein.
Dann hat schon der andere auch gesagt:
(Zweiter Engel): Gelobt sei Jesus Christus.
Der Wirt noch. Dann ist noch der Wirt gekommen.
(Wirt): Gelobt sei Jesus Christus. Was schaffen Sie?
(Engel): Ich bitte, ob in der Herberge Platz ist.
(Wirt): Nein! Hast du Geld zu bezahlen? Und wenn du kein Geld zum Bezahlen hast, dann ist kein Platz.
Dann ist auch der Josef gekommen, dann hat der gefragt.
(Josef): Nein, ist nicht zu bezahlen!
Also, dann hat der Josef zu dem Wirt gesagt:
(Josef): Gib uns nur so viel Frist, eine halbe Stunde. Dass Maria und das Jesuskind eine halbe Stunde rasten können.
Dann hat er zugesagt. Dann hat er gesagt:
(Wirt): Maria und ihr Hirten tretet ein. Der Stuhl wird schon bereitet sein.
Dann ist die Maria mit dem Jesuskind rein gekommen. Das war ja eine Puppe. Und die zwei Hirten, die haben sich fallen gelassen. Der Josef stand da und die Maria hat zu dem Josef gesagt:
(Maria): Ach Josef, lieber Josef mein. Wieg du mir das kleine Kindelein.
Und dann hat er gesagt:
(Josef): Wie soll ich dir das kleine Kindlein wiegen? Ich kann meinen alten Buckel nicht mehr biegen. Heiobumbeio!
Und dann haben wir alle gesungen:
(Chor): Ach Josef, liebster Josef mein! Wo soll dem Kind sei Herberg sein?
Und dann hat er gesagt:
(Josef): Der Stall soll dem Kind die Herberg sein! Heiobumbeio!
Und dann nochmal:
(Chor): Ach Josef, liebster Josef mein! Wer soll dem Kind sein Diener sein? Ach ja, Was soll dem Kind sei Windel sein?
(Josef): Der Schleier soll dem Kind sei Windel sein! Heiobumbeio!
Und dann nochmal:
(Chor): Ach Josef, liebster Josef mein! Was soll dem Kind seine Wiege sein?
(Josef): Die Krippe soll dem Kind die Wiege sein! Heiobumbeio!
Und dann nochmal:
(Chor): Ach Josef, liebster Josef mein! Wer soll dem Kind sein Diener sein?
(Josef): Der Ochs und der Esel sollen dem Kind sein Diener sein. Der schönste Ochs und Esel, tretet herein.
Dann sind die gekommen.
(Engel): Und hauche mir das kleine Kindelein!
Die waren dann so mit Ochsenkopf und mit einem Bettlacken über sich. Aber die haben schon den Weg gesehen, um zu gehen. Die sind dann hin und haben so getan, als hätten sie das Kind angehaucht. Die Hirten sind auch rein gekommen. Und dann hat die Maria zu dem Erzengel gesagt:
(Maria): So rufe mir den Christ herein!
Dann war da ein Mädchen.
(Maria): Liebes Christkind komm herein!
Ja, dann ist das Christkind herein gekommen und hat ein Lied gesungen.
(Christkind): Von hoch vom Himmel komm ich her.
Was bring ich euch zum neuen Jahr her.
Was ich euch sagen will,
die Krone trag ich auf meinem Haupt.
Die hat mir Gott der Herr erlaubt.
Das Zepter trag ich in meinen Händen,
das hat mir Gottes Sohn geschenkt.
Ach du getreues Engelein,
kannst du mir sagen, wer diese Kinder sein?
Also im Haus. Dann hat der gesagt:
(Josef): Aber Christ nur nicht so schnell, nicht so geschwind. Verschone doch das kleine Kind.
Dann hat das Christkind zur Maria gesagt:
(Christkind): Reiche mir die Rute her, dann werde ich dem Kind gleich geben, was ihm gehört!
Die hat die Rute gehabt, dann das Kind, also es waren drei. Da stand dann eins dort. Ein jedes hat eine Rute bekommen. Na, wie das Ganze so war. Und dann haben wir gesungen. Wir waren 14. Ich hab ja auch einmal mitgehen dürfen. Dann haben wir gesungen:
(Chor): Wir sind alle 14 auf einem Platz!
Wir wünschen euch eine schöne gute Nacht!
Jetzt reisen wir fort,
an einen anderen Ort!
Das war aber schön, weißt du. Da sind wir dann nachts bis zwölf Uhr herum gegangen, bis es Zeit war für die Messe. Um zwölf Uhr war die. Dann sind wir in die Kirche rein und haben unsere Sache da auch gemacht, da waren Menschen. Und dann oben im Dorf war auch noch so eine Gruppe. Also die haben, also die waren auch so wie wir. Aber die sind oben im Dorf gegangen und wir sind unten im Dorf gegangen. Das Dorf war ja zwei Kilometer lang. Jahrmarkt war ja sehr groß, zwei Kilometer! Was meinst du, die, die von oben gekommen sind zum Bahnhof zur Arbeit. Die Leute haben alle geschaut, dass sie unten hin kommen. Die Goti hat in der Zigeunergasse gewohnt, noch näher am Bahnhof als wir. Um das Eck herum, in der Walacheigasse waren wir. Weil dort waren, wie viel? So sieben oder acht Familien waren da, Rumänen. Aber die haben geredet wie wir. Die haben mit uns gelebt. Ihre Kinder sind mit unseren in die Schule gegangen und alles. Und die haben bei den Bauern so im Dorf gearbeitet. Aber somit war es ja doch schön, wenn ich zurück denke. Wir hatten eine schöne, ich hatte eine schöne Kindheit! Wirklich!
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