Zeitzeugin: KATHARINA FRANK Kapitel 2.2.: Kuhmilchspenden und die Süßweinrettung

Die Eingliederung in die russische Konföderation brachte abrupte und drastische Veränderungen mit sich. Der Kommunismus war über Nacht eingebrochen, alles gehört jedem. Oder so ähnlich. Vor allem die angesiedelten Deutschen in den von Russland quasi annektierten Gebieten in Rumänien mussten aufgrund ihrer Zugehörigkeit und der politischen Gesamtsituation große Teile ihres Hab und Guts abgeben. Tierbestände und Agrargeräte wurden umverteilt, Teile der Erträge wurde ebenfalls regelmäßig eingesammelt. Die Familie meiner Urgroßmutter besaß eine Kuh, die aber an eine rumänische Familie abgegeben werden musste. Im Ort wurde aber anders geredet und vor allem auch nachbarschaftlich. Die rumänische Familie, die die Kuh erhalten hatte, gab der Familie meiner Urgroßmutter jeden Tag einen Liter Milch. Dankeschön!

Es bestand auch immer noch die Problematik mit den Weingärten, der Bewirtschaftung dieser und dem Umgang mit den Erträgen. Hier hat meine Urgroßmutter wohl einen Sprung ein paar Jahre zurück gemacht und der Abschnitt zu den Weingärten spielt sich höchstwahrscheinlich vor dem Eintreffen des russischen Militärs ab, da sie noch von einer freien Abgabe der Trauben an Verarbeitungsbetriebe spricht. Wenn man auf einmal eine Handvoll Weingärten besitzt, geht es nicht nur darum, diese sinnvoll und gut zu bewirtschaften. Wenn die Trauben reif sind, dann müssen diese auch angemessen geerntet werden und letztlich sollte man auch noch wissen, wie man entweder selbst Wein macht oder an wen man wie vertreibt ohne abgezockt zu werden. Der Satz „ins kalte Wasser geschmissen werden“ ist immer noch passend.

 

 


 

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Kapitel 2.2.  –  [ KINDHEIT ? ]
?  Kuhmilchspende und die Süßweinrettung  ?

 

(Katharina): Der Staat hat ja den Leuten alles weggenommen. Die waren die Herren darüber. Sie haben rein gehen können, um zu arbeiten. Die haben das ja gezahlt bekommen. Aber wenn dann die Trauben und das alles gekommen sind, dann haben sie nicht mehr rein gedurft. Am Dorf, am Ende, in einer jeden Gasse, da hat ein Posten gestanden und hat die Leute ausgesucht. Ob sie Kirschen haben oder was. Was meinst du? Dann haben wir gehabt, also zwei Joch Weingarten. Und 15 Kirschenbäume. In dem letzten waren fünf Kirschenbäume, also so viel Bäume. Drei Weingärten ja. Die Kirschenbäume von der Großmutter hab ich auch dazu gerechnet. Also mit Kirschen haben wir ja Geld gemacht. Da sind wir auch damit auf den Markt. Wie das jetzt alles so war. Wie es gewesen ist. Also mit dem Wegnehmen. Wir haben da auch eine Kuh gehabt. Ich war dann schon in Russland. Wart mal, wie war das denn nur? Die Kuh haben sie uns auch, die Leute haben die Kühe raus auf die Wiese bringen müssen. Und die Refuschat, die Rumänen, die von der Bachal gekommen sind. Die die Häuser bekommen haben. Die haben dann auch die Kühe bekommen. Und unsere Kuh war frisch melkig. Die hat 20 Liter Milch gegeben. Die Oma kann sich an das so gut erinnern. Und die, die die Kuh bekommen hat, die hat dann gesagt, sie spendiert jeden Tag einen Liter Milch. Für drei Kinder. Das ist genug?  Gell. Also die hat oben in der anderen Hälfte des Dorfes gewohnt gegenüber von der Schule. Und die Oma ist jeden Abend dorthin gegangen, um den Liter Milch zu holen. An das kann sie sich noch so gut erinnern. Ja so war das Ganze. Wie ist es denn dann nur weiter gelaufen? Ja, dann haben sie ja, der Staat hat dann die Weingärten ausgestoppt. Im Nu waren die ausgestoppt. An das kann sich die Oma auch gut erinnern. Die haben das dann woanders angelegt. So will ich dir das jetzt sagen. Also zwei Joch Weingarten, drei Joch leeres Feld, also drei Joch Feld hat er bekommen, weil er im Weltkrieg war. Dort war bei den drei Joch Feld ein Joch Wiese dabei, also das Heu. Wir haben doch nichts gehabt, um zu ackern, als er in Amerika war. Dann hat meine Mutter das immer um die Hälfte hergegeben. Dann ist mal ein Mann gekommen, der hat dann gesagt:

                  (Mann): Marga, du machst das nicht gut.

                                     (Mutter): Warum?

                  (Mann): Du kriegst doch nicht die Hälfte! Die schmieren dich doch an!

                                Tu das verpachten das Feld!

Dann hat meine Mutter das immer verpachtet und dann war das gut. Und dann gab es Streit. Das war ein Joch Wiese und das war so gut gewesen. Das hat so schönes Heu gebracht. Also jetzt ist er heim gekommen. Dann hat er erst gesehen, dass er nicht gut gehandelt hat. Er hätte sein Haus fertig bauen müssen. Man hat schon drin wohnen können, aber es war nur ein Zimmer und eine Küche drin gebaut. Aber er hätte das Haus fertig bauen müssen und nicht mit seinem Geld die Jahrmarkter Bauern unterstützen. Dann ist ihm das erst gekommen. Dass er da emsig gemacht und gearbeitet hat und  nicht gut gehandelt hat.

Und dann mit dem Wein. Wir haben den Wein doch anmelden müssen. Mein Bruder war noch keine 18 Jahre alt, als mein Vater noch nicht daheim war. Und von 18 Jahre an, da haben die 50 Liter im Jahr frei gehabt. Und dann hat meine Mutter einmal nicht alles angemeldet. Da hat man ein Weinbuch gehabt und ein Schnapsbuch. Und dann sind die Finanziers rumgegangen und dann haben die kontrolliert. Und wir haben dann ja viel zu viel Wein gehabt in der Weinkammer. Dann musste sie Strafe zahlen. Dann ist da so ein älterer Mann gekommen.

                  (Mann): Wess Leni, wisst ihr, wie ihr das macht?

                                Macht Süßwein, und dann habt ihr Wein.

Was meinst du? Dann hat meine Mutter, also wenn das frisch gepresst ist, wenn der schön klar anfängt zu laufen, dann kommt das in ein Fass und dort muss schon die Messingkrone rein geschlagen sein, weil da darf man nicht gleich ran gehen. Dann oben drauf, da kommt dann noch ein Dunstpulver rein. Sechs Wochen darf man das nicht anrühren. Die Messingkrone, die war schon drin. Und wir Kinder, wir waren schon mal so neugierig, wie der Wein schmeckt. Was meinst du? Da sind wir an die Messingkrone und haben es etwas aufgedreht und ein bisschen laufen gelassen.

                  (Kinder): Oh, der ist gut!

Wir haben aber nicht gemeldet drin, dass wir dort waren und genommen haben. Jetzt hatten wir 500 Liter Süßwein gehabt. Weißt du wie viel Geld wir gemacht haben? Den hattest du nicht versteuern müssen.

 


 

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