Auf dem Weg über die Grenze wurden die heimkehrenden Frauen von zunächst vermeintlich guten Helfern im Wald stehen gelassen. Derartiges war man aber leider bereits gewohnt und es ging schon den ganzen Weg hindurch so. Die Gruppe und jede andere einzelne Person, die verschleppt wurde, hatte über lange Zeit Schmerz und Trauer in den Lagern überwunden. Oder man ist gestorben. Katharina Frank und ihre Gruppe waren aber nun nicht mehr im Lager und sind mittlerweile dem angestrebten Ziel um einiges näher gekommen. Nach der Heimat! Und das was sie angetrieben hat, was sie über die ganze Zeit am Leben erhalten hat, das war bei ihnen und allen anderen gleich. Das gab die Überlebensenergie und ohne diese Gedanken wäre die Seele wohl untergegangen: Nämlich die Familie und ihre Gesichter zuhause wieder zu sehen, ihre Stimmen wieder zu hören und die Hoffnung die Geliebten wieder in den Arm nehmen zu können. Nicht zu „können“, sondern zu „müssen“! „Wir kommen nach Hause!“
Es gibt überall gute Menschen und es gibt aber auch überall schlechte Menschen. Sie sind alle da und es vermischt sich. Überall. Nicht alle sind gut und nicht alle sind schlecht. Das hat mir meine Urgroßmutter auch immer wieder beigebracht. Weil in all der Not, kam auch oft Hilfe auf überraschende und nicht erwartete Weise. Dieser Effekt gab den Frauen auf ihrer abenteurlichen Reise umso mehr Hoffnung und hat auch ihre und meine Sicht auf die Menschheit an sich geschärft. In diesen Erkentnissen steckt Wissen, eben Erkentnisse und man kann dadurch lernen. Aber man muss sich etwas Zeit nehmen und sich auch damit beschäftigen und zuhören.
Katharina Frank und ihre Gruppe wurde also von den Schleusern an der Grenze stehen gelassen. Nun gut, dann wurde eben wieder alleine nach einem Weg gesucht. Wahrscheinlich halb unwissend, halb durch Glück, aber irgendwie muss es die Frauen an einen Hof von eben der Sorte guter Menschen vorbei geführt haben. Ein guter Fahrradfahrer hatte auch noch mitgeholfen. Aber es wurde gleich erkannt und gehandelt. Egal wer wie wann von wo herkommt. Da waren Menschen, die Hilfe benötigten. Und manchmal tut eine warme und vermeintlich simple „Milichsuppe“ Wunder. Vor allem, wen die Geste vom Herzen kommt. Es ist ja aber auch eine der besten Suppen der Welt!
An dieser Stelle möchte ich an Johann Zornik gedenken, ein großartiger Mensch und auch Teil dieser historischen Familiengeschichte. Er wurde später Ehemann von Katharina Franks Tochter gleichnamig Katharina. Und Vater meiner Mutter. Ohne ihn gebe es beispielsweise mich und diese Geschichte hier nicht. Am 31. Mai 2020 ist er mit erfüllten 85 Jahren von uns gegangen. Er bleibt uns im Gedenken und in der Bewahrung genau solcher Geschichten und Erzählungen kann man sein Wissen mit erhalten. Das Mitgegebene und Gelernte ist ohnehin bereits in uns. Danke Hans Opa.
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Kapitel 4.7. – [ NACH DER HEIMAT ? ]
? Nach der Heimat und Milchsuppe in der Not ?
Dann sind wir unter das Dach. Dort war so ein bisschen was, also was das war, weiß ich nicht. Es war ja Nacht. Dort haben wir uns hingestellt. Dann sagt die eine:
(Kameradin): Ständig fahren da Autos hin und her. Das muss doch die Landstraße sein.
Weißt du, man hat da Furcht zu so einer Zeit. Also es müssen zwei nachschauen gehen. Wir haben das so eingeteilt, jetzt gehen die zwei und ein anderes Mal gehen dann die anderen zwei. Und dann war ich auch an der Reihe, ich und meine Kameradin. Die Linser-Kathi. Und als wir dann näher gekommen sind, da sagt sie:
(Linser-Kathi): Schau mal Kathi, das ist ja die Landstraße. Lass uns nur gleich zurück gehen.
Also gut, zurück, zusammenpacken, das ist die Landstraße. Jetzt sind wir gegangen. Auf der Landstraße. Wir haben uns dann so im Arm gehabt und so wie die Straße war, so sind wir gegangen. Nicht hintereinander. Auf einmal rief jemand:
(Fremder): Hallo! Wollt ihr die ganze Straße haben?
Da sind wir stehen geblieben und haben uns umgeschaut. Da war dann einer auf dem Fahrrad.
(Fremder): Naja. Ihr wollt doch nach der Heimat? Und ich fahr in die Arbeit. Wisst ihr, wo die Grenze nach Österreich ist?
(Wir): Nein! Die müssen wir ja zuerst suchen!
(Fremder): Na, ich werde euch das zeigen!
Dann sind wir noch so zehn Minuten mit ihm gegangen. Dann ist er stehen geblieben.
(Fremder): Jetzt ein bisschen hoch. Ich geh auch mit hoch. Und dann schaut ihr hinunter und dort ist ein Fluss. Und über den Fluss, durch den Fluss müsst ihr gehen! Das Wasser geht bis an die Knie, aber der ist ausgebettet, da braucht ihr keine Angst haben.
Dann sagt er noch:
(Fremder): Der Weg hier geht nach Österreich, und der Weg da geht in die Tschechei. Es ist ja Nacht, ihr könnt das nicht lesen.
Das hat er gesagt. Also das haben wir uns gemerkt. Also den Weg. Den sind wir dann auch gegangen, so wie er es uns gesagt hat. Dann sind wir auch so eine halbe Stunde gegangen. Dann sagt die eine:
(Kameradin): Schau mal, der Busch lässt nach. Es wird hell!
Also wirklich, da waren wir am Ende. Dann standen wir da. Man hat ja von Weitem das große Bauernhaus gesehen. Jetzt mussten wieder zwei schauen gehen, wo wir dran sind. Also gut. Es sind dann zwei andere gegangen. Die haben geklopft, dann ist der Bauer gekommen. Die waren schon wach.
(Bauer): Kommt nur rein! Ihr macht euch ja nach der Heimat!
Dann haben sie gesagt:
(Kameradinnen): Wir haben noch vier am Waldrand, wir gehen die holen.
Also wirklich. Als wir dann hingekommen sind, da war eine große Küche. In der Mitte war ein großer Ofen. Und rundherum war so eine Stange, wo man die Sachen hinhängen konnte. Und in der Ecke war ein großer runder Tisch. Und die Stühle waren wie ein Herz, also die Rückenlehne. Als wir dann drin waren ist die Hausfrau gekommen, die hat sich dann auch vorgestellt. Wir waren doch nass. Dann ist sie gegangen und hat so Halate gebracht vom Gesindel, also von den Mägden und Knechten. Es war ja ein großer Hof. Jetzt sollten wir nebenan in das Zimmer gehen und sollten uns umkleiden. Unsere Kleidung sollten wir hier hinhängen, damit es trocknet. Also gut, dann haben wir das so befolgt. Auf einmal sind zwei Knechte rein gekommen mit der Milch und einem großen Topf. Ich weiß gar nicht wie groß, aber über 20 Liter glaub ich war der. Ein Eisentopf. Die haben den dann auf den Ofen gestellt und haben die Milch dort rein geleert. Die Hausfrau hat dann eine Schüssel genommen, hat Mehl rein getan und so eine Sterz gemacht. Weißt du, sowas angerichtet. Und die Milch hat gekocht und die hat das dort reinlaufen gelassen. Wir haben dem allen so schön zugesehen. Dann sind zwei Mägde gekommen und die haben so viel Löffel auf den Tisch gelegt, wie Personen da waren. Keine Teller. Die Milch, die war fertig und dann hat die Frau gerufen. Die sollen kommen und das auf den Tisch stellen. Dann haben die den großen Topf genommen und auf den Tisch gestellt. Der Hausherr hat sich oben hingesetzt, der hat das Gebet gesprochen und Gott gedankt, dass wieder was zu essen ist. Der hat den ersten Löffel davon genommen und ist dann fort. Also jetzt, alle haben gelöffelt. Die Knechte, die Mägde und wir. Dann hab ich zu der Linser-Kathi gesagt:
(Jung-Kathi): Pass nur auf, dass wir keine Strau machen, das ist doch so unschön.
Weißt du, wie das gut war! Die warme Milchsuppe! Das war dann gegessen. Unsere Kleidung war getrocknet. Dann haben wir uns nochmal umgezogen und los:
(Kameradinnen): So, wir verabschieden uns!
Dann haben wir uns verabschiedet. Dann hat uns die Hausfrau zwei große Brote gegeben für auf den Weg. Dann sind wir losgegangen, aber wir mussten doch noch betteln. Dann sind wir nochmal in ein großes, also da waren wir schon in Österreich. So, siehst du, so. Also der Hausherr hat dann gesagt:
(Hausherr): Sie gehen durch den Wald. Nicht durch!
Ach wart mal. Doch! Nein, nein! So hat er es gesagt:
(Hausherr): Sie gehen am Ackerfeld nicht durch den Wald! Sonst kriegt euch die Polizei!
Als wir dann am Wald waren:
(Kameradinnen): Ach gehen wir doch durch. Wer weiß, ob der Mann das gut gesagt hat?!
Wir sind keine zehn Minuten gegangen:
(Grenzwächter): Halt! Österreichische Grenzpolizei! Wo wollt ihr denn hin?
Wir haben geantwortet mit:
(Kameradinnen): Nach der Heimat!
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