Ich hab meine Urgroßmutter natürlich auch gefragt, wie es denn damals in der Schule so zugegangen ist und was Schule zu dieser Zeit überhaupt bedeutete. Viele Erinnerungen und Informationen waren leider nicht vorhanden. Sie erzählt von einigen Begebenheiten mit ehemaligen Schulkameraden, aber zwischendurch kommen auch Erzählungen zum pädagogischen Ablauf. Man sollte sich beim Zuhören wiederum bewusst machen, dass sich das Ganze eben vor fast 100 Jahren im Banat abgespielt hat. Für das Lernen und die Schule war einfach nicht genügend Zeit vorhanden, zudem waren die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, die die Schulen boten sehr gering und für nur wenige wirklich gute Schüler vorgesehen. Zur Schule zu gehen, war ein kleiner Zeitvertreib nebenher.
Etwas Grundwissen sollte man schon haben, lesen und schreiben können, aber wirklich ernst genommen wurden die Bildungswege berechtigterweiße nicht. Jede Familie hatte einen großen Hof mit Tieren und Feldern, die durchgehend versorgt und bewirtschaftet werden mussten. In diesen Haushalten hatte damals jedes Familienmitglied entsprechend der vorhandenen Arbeitskraft und Fingerfertigkeit bereits schon von klein auf mitgearbeitet. Meine Urgroßmutter ist 1921 geboren, also kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Die wirtschaftliche und politische Lage war demnach schlecht und noch instabil. Ihr Vater, also mein Ur-Urgroßvater, ist wie viele andere zu dieser Zeit für einige Jahre nach Amerika gezogen, um dort zu arbeiten. Die Jobaussichten und Bezahlungen waren in den Staaten zu dem Zeitpunkt um einiges besser als in Europa. Die Familie im Banat musste zunächst den Haushalt und das Landgut also ohne Vater und dessen Manneskraft bestellen. Umso weniger Zeit demnach letztlich für die Schule. Im Interview beschreibt sie sehr schön das Schicksal eines „Gescheiten“, der aufgrund der Haus- und Hofpflichten anfangs vom Vater zum Handwerker verdonnert wird, aber dessen Fähigkeiten am Ende doch noch von anderen gesehen werden.
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Kapitel 2.4. – [ KINDHEIT ? ]
? Erinnerungen an die Schulzeit ?
(Katharina): Ja in der Schule, da haben wir deutsch und rumänisch gelernt. Ich hab die rumänische Geschichte besser gekonnt wie die deutsche. Das ist nicht so leicht, weil die deutsche Sprache ist die schwerste in der Welt. Aber da ist es uns schon gut gegangen, in der Schule auch. Aber so ansonsten, wir hatten einen Kamerad. Einen Schulkamerad, ein Junge. Ein gewisser Hofmann. Wenn ich den Jauch sehe, den Millionenmann, dann seh ich ihn immer. Also, der hat so gut gelernt. Der Lehrer hat das schon ausgelegt, wir sollen das lernen und so alles. Der hat das besser gewusst wie der Lehrer. Der war nicht nur der Klassenbeste, der war schon der Schulbeste! Was meinst du, sein Vater, weil die waren arme Leute. Und sein Vater war Zimmermann. Dann ist die Gemeinde, der Richter und noch zwei, drei Männer hin zu ihm. Also sie haben ihn gefragt, was er seinen Sohn lernen lässt.
(Vater des Jungen): Maurer muss er werden.
Hat er gesagt.
(Richter): Nein!
Haben sie gesagt.
(Richter): Die Gemeinde lässt Ihren Sohn studieren. Der ist nicht der
Klassenbeste, der ist schon der Schulbeste. Der weiß ja schon
alles besser wie der Lehrer schon bevor der das ausgesagt hat.
Der hat das nicht zugelassen. Der hat gehen müssen, um Mauerer zu werden. Der hat nicht gewusst, wie er die Kelle halten soll. Mit dem Zement war er immer ganz versaut. Einmal ist der Meister dorthin gekommen, dann hat er den Polier gefragt:
(Polierer): Was macht der Junge hier?
Dann hat der das dem Meister alles gesagt. Also wie viel die Uhr hier schlägt bei dem Jungen. Dann hat der Meister gesagt:
(Meister): Sagen Sie ihm, er soll morgen zu mir in die Kanzlei kommen und er soll sich schön anziehen.
Na gut. Dann hat er zu ihm gesagt:
(Meister): Matz! Morgen gehst du, du ziehst dich schön an, du kommst nicht auf die Arbeit, du gehst in die Kanzlei!
Also dann ist er in der Kanzlei geblieben. Dann hat er die Kostenvoranschläge und alles gemacht. So gescheit war er. Und dessen Vater hat es nicht zugelassen, dass der hätte sollen, der wäre kein Maurer geworden. Fuge auf Fuge hat er die Steine gelegt. Der hat gar kein Stück dafür gehabt. So gescheit war der. Der hat eher, ja, und so ist der Siller Seppi auch gewesen. Von in Kowatschi ein Junge. Von weiß ich wo da oben. Der war auch so gescheit und der hat auch schon immer gewusst, wann der Lehrer was gesagt hat, da hat er schon gewusst, wie er das alles zu sagen hatte. Es gibt schon einen großen Unterschied. Unsere Schule, die war halt so. Wir hatten eine halbe Stunde bis zur Schule. Die Schule war inmitten des Dorfes. Im Winter war es schon schwer. Wenn eisig war und alles. Wir haben, wir haben zirka eine halbe Stunde haben wir gebraucht. Wir haben unten im Dorf gewohnt, bei der Bahn. Wir haben so zirka eine halbe Stunde gehabt. Dann sind wir auch über Mittag geblieben im Winter. Dann hat uns unsere Großmutter immer eingepackt, damit wir nicht heim kommen mussten. Wir haben mittags, um halb zwölf sind wir heim und um halb zwei mussten wir schon wieder in der Schule sein. Dann waren wir bis vier Uhr in der Schule. Und donnerstagnachmittags hatten wir frei. Und samstags war auch keine Schule. Aber somit, und in die Kirche mussten wir gehen und alles. Wir sind schon gut erzogen worden, ja.
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